Bildungskurier: Kürzung ist keine Entwarnung!
Die Sozialpartnerschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich zum sozialen Frieden und zum wirtschaftlichen Aufschwung Österreichs beigetragen.
Sozialpartnerschaft funktioniert auf mehreren Ebenen:
- Durch die Verhandlung von mehr als 700 Kollektivverträgen, die einkommens- und rahmenrechtliche Verbesserungen bringen.
- Die Weiterentwicklung des Arbeits- und Sozialrechts, die von Konsens geprägt war.
- Die Lösung struktureller Krisen: von der Stahlkrise bis hin zur Finanzkrise, ausgelöst durch einen völlig aus den Fugen geratenen Finanzmarkt.
- Durch das Prinzip der Selbstverwaltung.
Gewählte Vertreter
Wesentliche Fragen – wie die der Krankenversicherung, des Gesundheitswesens, der Unfallversicherung und der Arbeitslosenversicherung – werden durch die Sozialpartner selbst verwaltet. Beitragszahler, Versicherte entscheiden selbst, was mit den von ihnen erwirtschafteten Beiträgen passiert. Die politische Legitimation dafür ergibt sich nach dem System der Pflichtmitgliedschaft einerseits und anderseits aus den Wahlen in die Sozialpartnereinrichtungen. Wahlen sichern auch die Selbstverwaltung der Einrichtung der Arbeiterkammer durch die Mitglieder.
Regierung folgt Industrie
An all diesen Grundpfeilern der Sozialpartnerschaft rüttelt nun die Regierung, wenn sie zum Beispiel die Mitwirkung der Gewerkschaft in wesentlichen Fragen wie Arbeitszeit auf einzelvertragliche Vereinbarungen verlagert. Auch stellt man offensichtlich die Lösungskompetenz der Sozialpartner bei strukturellen Krisen in Frage, wenn man den Gewerkschaften die Mitsprache mit Instrumenten wie die Kurzarbeit wesentlich beschneidet. Mit all diesen Veränderungen trägt die Regierung offensichtlich jenen Kritikern der Sozialpartnerschaft Rechnung, die vor allem aus den Reihen der Großindustrie stammen und die sich durch die direkte Umsetzung ihrer Anliegen den schnellen Erfolg erwarten.
ArbeitnehmerInnen entmündigt
Wesentlich ist aber die Absicht der Regierung, die Selbstverwaltung auf mehreren Ebenen massiv zu beschneiden. Die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen und die angedachte Reduzierung der Selbstverwaltung hin zu einem Verwaltungsratsmodell mit massivem politischen Einfluss, die offensichtlich in Kauf genommene Zerstörung der Unfallversicherung, die Veränderungen in der Arbeitslosenversicherung über die Köpfe der Sozialpartner hinweg, zeigen diesen Weg klar auf. Diese Absicht gipfelt in der ursprünglichen Absicht, die Pflichtmitgliedschaft
der Kammern überhaupt in Frage zu stellen, wenn nunmehr nur mehr „eine Beitragssenkung“ im politischen Diskurs ist, kann man das keinesfalls als Entwarnung sehen. In Wahrheit
ist dies eine Entmündigung der ArbeitnehmerInnen. Die Antwort seitens der Arbeiterkammer ist klar: Über das Schicksal und die Zukunft der Arbeiterkammer entscheiden die Mitglieder und sonst niemand! Das ist eine Frage in der der Politik die Legitimation zum Handeln fehlt.
Leistungen ausbauen
Die Arbeiterkammer wird den Weg, der eine höchste Akzeptanz bei den Mitgliedern bringt, weiter fortsetzen. Ein intensiver Mitgliederdialogs und das daraus entstandene AK-Zukunftsprogramm wird umgesetzt und die Bemühungen im Bereich Bildung, Pflege und Wohnen werden ausgebaut. Vor allem wird bundesweit der Betrag von 150 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren aufgewendet, um die Strukturveränderungen, die sich durch die Digitalisierung ergeben, im Interesse der ArbeitnehmerInnen mitzugestalten.
Der Autor
Johann Kalliauer ist Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich.
|
Die vollständige Ausgabe des Bildungkuriers ist hier zu finden.